Die Biologie der Liebe: Evolutionäre und neuronale Mechanismen der Partnerwahl

Autor*in:  | 27. März 2024

Bartels, A. (2006)

Leitartikel: Neurobiologische Grundlagen der Partnerwahl und der Liebe.

Die menschliche Fähigkeit zur Partnerwahl und Liebe ist ein faszinierendes Phänomen, das nicht nur individuelle Leben prägt, sondern auch eine essenzielle Rolle in der Evolution unserer Spezies spielt. In einer Welt, die von sozialen Verbindungen und Beziehungen geprägt ist, stehen die neurobiologischen Grundlagen dieser Bindungen im Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung. Die Frage nach den physiologischen Mechanismen, die uns dazu bewegen, uns mit bestimmten Partnern zu verbinden und tiefe emotionale Bindungen einzugehen, ruft nach einer intensiveren Erforschung.
In diesem Artikel werden daher die neurobiologischen Aspekte der Partnerwahl und der Liebe genauer beschrieben, wobei der Fokus auf der evolutionären Bedeutung dieser Mechanismen liegt. Durch einen tieferen Einblick in diese physiologischen Prozesse können wir nicht nur unser Verständnis für menschliche Beziehungen vertiefen, sondern auch neue Perspektiven auf die grundlegenden Mechanismen der Liebe gewinnen.

In der modernen Verhaltensbiologie wird von drei biologischen Grundsätzen ausgegangen, welche die Partnerwahl maßgeblich mitbestimmen.

Zum einen suchen Menschen genetisch möglichst ähnliche Partner*innen, was in der Wissenschaft unter dem Fachbegriff „Homogamie“ zusammengefasst wird. Evolutionär erklärbar ist dies durch die Tatsache, dass bei Wirbeltieren jeder Partner 50% des Genpools des Kindes ausmacht – um also einen möglichst großen Anteil der eigenen Gene evolutionär zu sichern, werden Partner bevorzugt, die über möglichst ähnliche Genen verfügen, wie man selbst. Unter der postnatalen Prägung („sexual imprinting“) versteht man den Erklärungsansatz, welcher beschreibt, dass die eigenen Eltern am meisten mit einem verwandt sind und man deshalb immer einen Partner oder eine Partnerin wählt, welche dem gegengeschlechtlichen Elternteil möglichst ähnlich ist (Lorenz 1935).
Trotz unserer hochkomplexen Psyche und sozial- kulturellen Einflüssen, konnte dieses evolutionsbedingte Phänomen empirisch nachgewiesen werden. Sowohl bezüglich des Alters, als auch der Haar- und Augenfarbe zeigten sich Zusammenhänge zwischen der Partnerwahl und den Merkmalen des gegengeschlechtlichen Elternteils (Little et al. 2003; Perrett et al. 2002).

Das Problem, welches sich im Bezug auf eine möglichst hohe genetische Ähnlichkeit andeuten könnte, ist, dass diese am höchsten bei verwandten Personen ausfällt. Biologisch gibt es daher weitere Mechanismen, welche diesem entgegenwirken. Diese sind zum großen Teil auf den Geruchssinn zurückzuführen. Studien konnten zeigen, dass Menschen die Ähnlichkeit der eigenen oder eng verwandten immunrelevanten Gengruppen von denen eines Fremden unterscheiden können. Wenn diese sich von den eigenen unterscheiden, werden sie als angenehmer wahrgenommen, als wenn sie den eigenen Genen ähneln. Der Körpergeruch fremder Personen wird daher als angenehmer empfunden, als der genetischer Verwandter.

Der letzte evolutionäre Mechanismus bezieht sich auf die Wahl eines biologisch möglichst „fitten“ Partners. Dies bezieht sich auf viele äußerlich sichtbare Faktoren biologischer Fitness. Wenn Männer also körperlich „fit“ wirken, weißt dies auf einen erhöhten Testosteronspiegel hin. Frauen werden hingegen attraktiver wahrgenommen, wenn sie besonders stark ausgeprägte „Weiblichkeitsmerkmale“ aufweisen, da dies wiederrum korreliert mit physisch höheren Oestrogenwerten und damit einhergehender reproduktiver Fitness (Smith et al. 2006).
Weitere Kriterien, von welchen die Partnerwahl evolutionär bedingt beeinflusst wird, ist die visuelle Symmetrie, Körpergeruch und ein Aussehen, welches dem Durchschnitt der Population nahekommt (auch hier könnten Abweichungen ein Indiz für Krankheit sein).

Ein weiterer Teil dieses Artikels beschäftigt sich mit biologischen Grundlagen von Liebe selbst. Sowohl romantische als auch elterliche Liebe sind wohl die kraftvollsten Emotionen und Motivationsfaktoren, die unser Leben prägen.
Ebenfalls beschrieben werden im Artikel daher die biologischen Mechanismen, welchen beiden Arten von Liebe zugrunde liegen.

Auf neuronaler Ebene bestehen Gemeinsamkeiten in einem engen Zusammenspiel aus verschiedenen Neurohormonen wie Oxytocin, Vasopressin und Dopamin. Die Gabe von Oxytocin erhöhte in Studien beispielsweise deutlich das Vertrauen in Mitmenschen (Kosfeld et al. 2005).
Bartels und Kollegen untersuchten die neuronalen Korrelate in zwei unabhängigen fMRI-Studien, eine zur romantischen Liebe und eine zweite über diejenige der elterlichen Liebe. Die Studien ergaben starke Überlappungen der Aktivierung von Hirnregionen bei den zwei Formen der Liebe.
In beiden Studien war die Insula eine der am stärksten aktivierten Gehirnareale. Diese könnte aufgrund ihrer hochkomplexen Struktur für „Sensationen wie die im Volksmund vielbeschriebenen „Bauchgefühle“ verantwortlich sein“ (Damasio 1999; zitiert nach Bartels, 2006, S. 126). Es wird darüber hinaus auch davon ausgegangen, dass die Aktivierung der mittleren Insula auch für angenehme Gefühle beim sozialen Haut-zu-Haut-Kontakt verantwortlich ist, sowohl im amourösen, als auch im Eltern-Kind-Kontext. Harlow konnte beispielsweise zeigen, dass Babyaffen jeweils die weiche, flauschige „Kunstmutter“ der drahtigen vorzogen und das, selbst wenn nur zweitere die überlebenswichtige Milch von sich gab und erstere mit angstinduzierenden Merkmalen gestaltet wurde. Die sensorisch-emotionale Komponente scheint hier also einen großen Bestandteil liebevoller Verhältnisse auszumachen (Harlow 1958).

Jedoch konnten in der Studie von Bartels und Kollegen (2006) auch bindungsspezifische Unterschiede festgestellt werden. So kam es beispielsweise zu einer Aktivierung des Hypothalamus bei romantischer Liebe, nicht jedoch bei elterlicher Liebe, was auf sexuelle Komponenten zurückzuführen ist.

Auch die Deaktivierung von Hirnarealen sind bei einer komplexen Emotion wie der Liebe von großer Bedeutung. In beiden Studien war diese gleich. Es handelte sich bei diesen Deaktivierungen in erster Linie um Gehirnareale, welche normalerweise mit negativen Emotionen aktiviert werden (zum Beispiel die Amygdala), sowie um Areale, welche in kritischen Urteilen involviert sind.
Ebenfalls deaktiviert sind jene Gehirnareale, welche für unsere Fähigkeit verantwortlich sind, uns in andere hineinzuversetzen, die Vertrauenswürdigkeit anderer abzuschätzen, Gesichtsausdrücke einzuschätzen, moralische Entscheidungen zu treffen und sich auf die eigenen Emotionen zu konzentrieren (mesialer präfrontaler Kortex, die parieto-occipitale Junction und die temporalen Pole). Diese Deaktivierung ist wohl als neuronales Korrelat zu verstehen für die im Volksmund bekannte „blinde Liebe“.

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